Blinder Fleck in der Versorgungsstruktur: Die fehlende Patientenverfügung
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Sowohl für die Akut- als auch für die Langzeitversorgung bedarf es Beratung und Aufklärung und eine aktuelle Patientenverfügung, in der möglichst umfängliche Regelungen getroffen wurden.
Derzeit gibt es keine aktuellen offiziellen Statistiken über die Anzahl der vorhandenen und korrekten Patientenverfügungen in Deutschland. Weder die Erstellung noch eine Registierung sind Pflicht. In einer Parlamentsnachricht des Deutschen Bundestages im Juli 2020 wurden bis zum 31.03.2020 rund 4,7 Millionen Vorsorgevollmachten beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer eingetragen. Diesen ist manchmal auch eine Patientenverfügung beigefügt. Genauere Zahlen bzw. eine Trennung der Datenerhebung zwischen Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung ist nicht vorhanden.
Demgegenüber ist aus dem Jahr 2014 bekannt, dass 51% der über 60jährigen Deutschen eine Patientenverfügung (laut einer Allenbach-Umfrage, veröffentlicht auf www.statista.de) besaßen.
Akut- und Notfallversorgung
Dennoch würde für eine selbstbestimmte Versorgung und Behandlung eine Patientenverfügung benötigt, auf die im Notfall zugegriffen werden kann. Im Praxisalltag wird jedoch immer wieder von Rettungskräften und Notfallmedizinern festgestellt, dass es hier zu einem blinden Fleck in der Versorgungsstruktur kommt. Ein plötzlicher Unfall, Herzinfarkt oder Schlaganfall können einen Menschen innerhalb von wenigen Sekunden aus dem aktiven Leben reißen. Die Frage nach dem Willen rund um die medizinisch-pflegerische Versorgung des Patienten unterliegt dann Mutmaßungen.
Mitarbeiter:innen der Rettungsdienste und Notärzte versorgen die Betroffenen nach bestem Wissen und Gewissen. Geplant war, dass Informationen der Patientenverfügung auf der Gesundheitskarte hinterlegt werden sollten, aber aufgrund der zahlreichen Datenschutzbestimmungen in das in der Realität nicht umgesetzt worden.
Chronische Erkrankungen mit wiederholten Krankenhausaufenthalten
Zahlreiche fortschreitende Erkrankungen wie COPD, Multipler Sklerose oder bösartige Neubildungen machen wiederholte Krankenhausaufenthalte notwendig. Da ist es doch verwunderlich, dass so Wenige ihren eigenen medizinischen Willen schriftlich erklären. Gerade hinsichtlich von Schmerz- und Beatmungstherapie sind die Behandlungsmöglichkeiten häufig nicht bekannt. Ebenso sind vielen Patienten palliative Versorgungsstrukturen unbekannt.
Während der Aus- und Fortbildung im Pflegebereich werden die Themen Patientenverfügung und entsprechende Vorsorgevollmachten wiederholt angesprochen. Aufgrund der Komplexität des Themas, ist man jedoch als Pflegefachkraft im Alltag gar nicht in der Lage, eine entsprechende Gesprächsberatung durchzuführen.
Konzept: Behandlung im Voraus planen
Sozialarbeiter und Hausärzte sind häufig die Ansprechpartner, wenn Patient:innen proaktiv das Thema ansprechen. Wie wäre es aber andersherum? Wenn die Patienten direkt angesprochen werden und konkrete Beratungsangebote bekommen würden? Für die stationäre Versorgung gibt es ein durch die Krankenkassen finanziertes Beratungsangebot im Rahmen der Beratung nach §132g SGB V. Speziell geschulte Gesprächsbegleiter erstellen in mehreren Gesprächen eine Vorsorgeplanung für die letzte Lebensphase. Im ambulanten Setting sind solche Gespräche nicht refinanziert und auch nicht an eine speziell geschulte Person gekoppelt.
Während der Pflegeberatung kann und sollte das Thema wiederholt angesprochen werden und es können Kontakte vermittelt werden, die das Thema näher an die Patient:innen und Angehörige bringt. Beispielsweise gibt es vom Bundesgesundheitsministerium eine kostenfrei Informationsbroschüre und auch Palliativvereine und Hospize bieten häufig Beratung und Hilfe.
Selbstbestimmte Versorgung verschriftlichen
Eine selbstbestimmte Versorgung bis zuletzt und in allen Bereichen, sowohl medizinisch als auch pflegerisch und sozialrechtlich (Vorsorgevollmacht), so wie sich das die meisten wünschen, sollte dann auch entsprechend bedacht, beraten und verschriftlicht werden.
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