Sonja Fröse

Fachautorin für Pflege

Erfinderische Innovationen in der Alten- und Krankenpflege

Erfinderische Innovationen in der Alten- und Krankenpflege

Eine Info vorab: Bisher ist mir noch keine pflegerische Erfindung gelungen, aber die Möglichkeit fasziniert mich seit vielen Jahren (neulich kam mir der Gedanke einer Thermo-Waschwasserschüssel?). Vielleicht geht es Ihnen ähnlich und Sie haben sich einige der Fragen aus dem Einleitungstext schon selbst mal gestellt?!

Im Bereich der Alten- und Krankenpflege sind konkrete Entlastungen des Pflegepersonals oder der Angehörigen und allgemeine Handlungsfähigkeit häufig produktgebunden, z. B. durch den Einsatz von entsprechenden Gegenständen und Hilfsmitteln. Dabei denke ich beispielsweise an Rollstühle und Patientenlifter sowie an medizinische Geräte wie Ernährungspumpen und Sauerstoffkonzentratoren. Was bräuchte es noch für den pflegerischen Alltag? Wo sind heutzutage noch erfinderische Lücken? Durch technische Geräte bis hin zur Robotik soll die Pflege schließlich entlastet werden. 

Zeitgleich werden bereits vorhandenen Hilfsmittel derzeit nicht überall dort genutzt werden, wo es sinnvoll und notwendig ist. Geräte und Produkte stehen ungenutzt in einer Ecke oder werden erst gar nicht angeschafft. Das ist bedauerlich. Dieser Gedankengang bringt uns aber beim Thema "Innovationen und Erfindungen" nicht weiter. Der Rückschluss würde bedeuten, es wird nichts erfunden, weil es dann nicht genutzt wird!

Vielmehr kommen mir innerhalb der Pflege immer wieder Situationen in den Sinn, wo ich mir ein bestimmtes Produkt wünsche und denke: „Das müßte mal erfunden werden!“ Beispielsweise ein alternatives Beistelltischchen für das Pflegebett. 

Anforderungen an Innovationen

Erfindungen und Innovationen im pflegerischen Setting sollte Erleichterung, Sicherheit und Selbständigkeit vereinen.

Gebraucht werden praktikable Alltagsprodukte, die möglichst personenunabhängig die Selbständigkeit fördern und erhalten. Sie sollten unabhängig vom Strom (vielleicht mit Solar betrieben) funktionieren, einfach zu handhaben, nicht zu schwer (geht  schließlich auch um den Transport zum Einsatzort) und möglichst dauerhaft einsetzbar sein.

Nutzbarkeit für die Bediener: Alte oder selbst erkrankte Lebens- und Ehepartner übernehmen häufig sehr schwere körperliche Arbeiten und halten damit die häusliche Pflege und Versorgung aufrecht. Bräuchte es da nicht andere Hilfsmittel, die für die Bediener entsprechend einfach zu bedienen sind? Große Bedientasten, ggf. beleuchtete Tasten, einfache Handhabung, wenig Verstellmöglichkeiten.

Bedienung nach dem Zwei-Sinne-Prinzip: Sowohl per Sprachsteuerung als auch haptisch, Licht- und Sprachsignale die anzeigen, dass das Gerät läuft. Fällt eine Bedienmöglichkeit aus, gibt es noch eine zweite. Blinde und gehörlose Menschen können die Geräte/ Produkte selbständig bedienen.

Ortunabhängige Nutzbarkeit: Dreh- und schiebbare Produkte sind in der Alten- und Krankenpflege überwiegend hilfreich. Bei bewegungseingeschränkten Patienten kann das Produkt entsprechend an die notwendige Stelle gebracht werden.

Professionelle Pflegeberatung (beispielsweise über die Pflegekasse oder unabhängige Pflegeberater) hat hier die Aufgabe über bereits erhältliche Hilfsmittel und deren Nutzung zu informieren. Deshalb sollten Pflegeberater sich immer über neue Produkte informieren und entsprechende Beratungsinhalte gezielt weitergeben. Zeitgleich sollte die Nutzung von vorhandenen Hilfsmitteln gefördert werden.

Das einfache Öffnen von Verpackungen ist beispielsweise eine Aufgabe, die wirklich für alle Menschen einen Mehrwert hätte. Etwas mehr Gedankengut aus der Barrierefreiheit würde hier schon helfen:
•    Gut sichtbarer Hinweis auf die vorhandene Verschlussmechanik
•    Ausreichend große Erklärung zur Bedienung
•    Gut haptische Laschen oder Griffe zum Festhalten
•    Zweiten Alternativ-Verschluss anbringen


Neue Produkte in Form von Apps und im Bereich des SmartLiving sind ebenfalls eine langfristige Unterstützung. Durch die geringe Internetnutzung und -anbindung der hochaltrigen Menschen und der derzeitigen technischen Ausstattung von stationären Pflegeeinrichtungen befinden wir uns derzeit noch weit unter dem möglichen Potential zur Entlastung. Viele Pflegeeinrichtungen haben noch keine Internetanbindung in allen Zimmern.

Von der Idee zur Realisierung – Phasen der Produktentwicklung
Gegenüber Zufallserfindungen ist bei einer gezielten Produktentwicklung ein ganzer Prozess mit einzelnen Phasen notwendig. Je nach herangezogener Informationsquelle unterscheiden sich die einzelnen Phasen, dennoch werden fast immer fünf Phasen genannt.

Zunächst wird entsprechend dem Bedürfnis des späteren Nutzers ein Problem oder eine Situation herangezogen, das nach einer Lösung verlangt. Gemäß dem Spruch: „Problem erkannt, Problem gebannt“ bedarf es für eine Produktentwicklung (Phase 1) mehr als nur einen Lifehack. Diese Phase nennt sich Ideation oder Design Thinking. Es ist also ein großes und möglichst umfassendes Brainstorming.

In der zweiten Phase der Produktentwicklung wird das gedankliche Konzept auf die Realisation (Proof of Concept – Phase 2) hin überprüft. Welche Materialien sind notwendig und wirtschaftlich nutzbar? So entsteht ein Prototyp (Phase 3). Dieser wird in der vierten Phase an Testnutzer vergeben, um Feedback zu sammeln und eventuelle Fehler oder Schwachstellen zu beseitigen. Vielleicht bedarf es diverse Veränderungen der eigentlichen Grundidee, um letzlich das optimale neue Produkt in Händen halten zu können.

In der fünften Phase kann dann die Markteinführung (Roll-out) stattfinden.

Nebenprodukte

Zahlreiche Produkte wurden als Neben- oder Zufallsprodukte entdeckt und teilweise gar erfolgreicher als das Hautprodukt, beispielsweise kam durch einen geschmolzenen Schokoriegel die Idee zur Mikrowelle. Kennen Sie die Geschichte der berühmtesten Kaffeemaschine der Welt? Aus dem Rechnerraum der Universität von Cambridge wurde regelmäßig ein Bild vom Füllstand der Kaffeemaschine verschickt, um unnötige Wege zur leeren Kaffeemaschine zu vermeiden – so wurde die Webcam erfunden.  

Produktweiterentwicklungen

Kontinuierliche Verbesserungen bereits vorhandener Produkte bedürfen ebenfalls eines gewissen Erfindertums. Schließlich muss man das Rad nicht immer neu erfinden und zeitgleich ist Rad nicht gleich Rad. Rollbare Gegenstände begegnen uns häufig in der Alten- und Krankenpflege seien es Pflegebetten, Infusionsständer, Rollstühle, etc. Wer hat sich nicht schon über defekte, verkantete oder zu kleine Räder geärgert?

In vielen Bereichen rund um Mobilität, Sicherheit, Kommunikation und Selbständigkeit bedarf es Produkte, die einfach einsetzbar und zuverlässig sind. Beispielsweise sind Gleitmatten und Rutschbretter orts- und stromunabhängig einsetzbar. Es müssen keine großen und teuren, hochtechnisierte Erfindungen sein – alleine das Zusammenführen einzelner Komponenten oder eine andere Verwendung als ursprünglich gedacht kann als Innovation gelten! Hier sei das Schlagwort Off-label-use genannt. Bekannte und sonst nicht gewünschte Nebenwirkungen eines Medikaments werden nun gezielt genutzt und eingesetzt, zum Beispiel zum Anregen des Appetits oder gegen Durchfallbeschwerden.

Erfolgsgeschichte Rollator

Aus unserer Gesellschaft ist der Rollator heutzutage nicht mehr wegzudenken. Aufgrund des demographischen Wandels treten Alterserscheinungen wie Kraftminderung oder Gleichgewichtsstörungen unabhängig vom individuellen Gesundheitszustand natürlich vermehrt auf, weswegen der Rollator ein bekanntes und vielgenutztes Hilfsmittel ist. 1978 hat die Schwedin Aina Wifalk aus einem ursprünglichen Gehgestell den Rollator weiterentwickelt. Sie selbst litt an Kinderlähmung und hat das Gehgestell um eine Sitzmöglichkeit, die Räder (hier sind sie wieder!), Bremsen und um eine Ablagemöglichkeit ergänzt.

Heutzutage sind unzählige Rollatormodelle vorhanden. Für unterschiedliche Anforderungen an den täglichen Einsatz benötigt es  unterschiedliche Eigenschaften. So ist ein Stuben- oder Wohnraumrollator selten mit unebenen Böden konfrontiert, sollte aber klein und wendig sein, um auch in engen Wohnungen zum Einsatz zu kommen. Wer mehr auf dem Rollator sitzt als damit läuft, ist über eine entsprechende Sitzpolsterung dankbar. Bei Outdoor-Rollatoren, die auch mal eine Treppe hoch- und runtergetragen werden müssen, kommt es auf das Gewicht an. Umso leichter, desto besser - jedoch nur bei gleichzeitiger Stabilität und Kippsicherheit. Klappbare Rollatoren sind im Auto mühelos zu verstauen, sonst ist eine Klappfunktion nicht notwendig.

Zusatzartikel

Zusatzartikel zu bereits vorhandenen Produkten sind eine weitere Möglichkeit dem eigenen Erfindungsgeist auszuleben. Vielleicht haben Sie schon einmal eine Regenschirmhalterung für den Rollator gesehen oder Handwärmer für die Rollatorgriffe?
Entsprechend meinem Artikel „Umsatzsteigerung für Pflegeunternehmen durch Zusatzverkauf“ bieten sich häufig Reinigungs- und Schutzartikel zu bereits vorhandenen Produkten an. Schließlich möchte man, dass gute Produkte lange erhalten bleiben. Denken Sie beispielsweise an die verschmutzten Rollstuhlreifen an einem Regen- oder Schneetag.


Fördermöglichkeiten

Während bereits viele hilfreiche Produkte vorhanden sind, schlummern ungenutzte Möglichkeiten noch als Idee in Köpfen oder liegen bereits produktionsreif in Schubladen oder (Erfinder-) Garagen und -werkstätten.
Wie kommen also Problem – Idee – Lösung und Entwicklung/ Produkterstellung zusammen? Vermutlich ist das die größte Herausforderung.

Durch Ideenmanagement können Firmen die Kreativität ihrer Mitarbeiter aktiv fördern und unterstützen. Häufig entstehen Ideen und Verbesserungen aus der allgemeinen Arbeitsroutine heraus.
Öffentliche Stellen unterstützen durch Wettbewerbe oder allgemeine Beratung.
Beratung erhalten Sie beim Deutschen Erfinder-Verband e.V. (DEV) in der Sprechstunde für Mitglieder.

Öffentlichkeitsarbeit mit Artikeln in Fach- oder Regionalzeitungen machen auf Sie und Ihr Produkt aufmerksam. Was nützt es schließlich, wenn es ungenutzt ist?

Erfindungssendung „Einfach genial“
Vielfältige Inspriation zeigt immer dienstags die Sendung „Einfach genial“ im MDR Fernsehen. Dort werden nach Themenbereichen gegliedert Erfindungen vorgestellt. Häufig wurden diese zunächst für den Eigenbedarf entwickelt. Die Tüftler stellen ihre Produkte vor, erklären den Entwicklungsprozess oder die Alleinstellungsmerkmale, so dass man sich sowohl die Geschichte hinter den Erfindungen als auch mit der Theorie vertraut machen kann.

Jetzt sind Sie dran

Gerne möchte ich Sie dazu ermuntern, bei guten Ideen diese weiter zu verfolgen. Wir brauchen gute Ideen und die entsprechenden Produkte, die den pflegerischen Alltag für alle Beteiligten erleichtern. Sprechen Sie mit vertrauten Menschen, die sowohl das Problem, das Sie zu lösen versuchen kennen oder denen Sie es so erklären können, damit sie konstruktives Feedback erhalten. Manchmal kommen die besten Ideen von branchenfremden Personen.

Suchen Sie sich Partner für die Umsetzung, Optimierung, Herstellung oder den Vertrieb. Netzwerken ist über das Internet sicherlich am einfachsten. Ab einem bestimmten Punkt bedarf es rund um Patentschutz und Markenrechte juristische Unterstützung - das sollten Sie ebenfalls im Blick haben.

Pflegemessen bieten den Zugang zu Herstellern, Patentverwerter, Marketing und Vertrieb. Beispielsweise die internationale Erfindermesse Iena in Nürnberg. Dort finden neben der Ausstellung auch Vorträge rund um Gründung, Start-up und Finanzierung statt.

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