Medikamente richtig einnehmen - Fehlerquellen vermeiden
Bereits im Jahr 2012 schrieb das Deutsche Ärzteblatt, dass eine immer höhere Anzahl (älterer) Menschen mehr als 5 Medikamente dauerhaft täglich einnehmen. Das nennt sich im Fachjargon Multimedikation oder Polypharmazie.
Dies kann einerseits zu Neben- und Wechselwirkungen führen, andererseits kann es zu Fehleinnahmen kommen. Umso mehr Medikamente eingenommen werden müssen, desto eher können Fehler beim Richten oder Einnehmen passieren.
Daher haben alle Patienten in Deutschland einen Anspruch auf einen Medikationsplan in Papierform, wenn mindestens drei verschiedene Arzneimittel verschrieben werden (gemäß § 31 a SGB V (5. Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung), gültig seit 01.10.2016). Auf Wunsch kann dieser Medikationsplan auch auf der elektronischen Patientenakte gespeichert werden.
Auf dem Medikationsplan sind klar leserlich alle notwendigen Informationen notiert:
- Der Name des Patienten (wichtig bei Ehepartnern und Wohngemeinschaften, die beide Medikamente nehmen),
- Name und Dosierung des Medikaments,
- Darreichungsform und
- Häufigkeit der Einnahme.
Bei Bedarfsmedikation ist dabei noch der Grund der Einnahme und die Höchstdosierung zu vermerken.
Zu den Medikamenten gehören nicht nur Tabletten, Dragées und Kapseln, sondern auch Salben, Sprays, Pflaster und Tropfen. Ebenso pflanzliche Mittel und rezeptfreie Nahrungsergänzungsmittel sowie Vitamine.
Häufig können Menschen auf Nachfrage nicht alle ihre Arzneien, die sie einnehmen, aufzählen. Deswegen bietet sich ein vollständiger Medikationsplan an, über den Überblick zu behalten und für Fremdhelfer bzw. im Ernstfall nachvollziehen zu können, was regelmäßig eingenommen wird.
Mögliche Gründe der Fehleinnahme
Es wird vermutet, dass sehr viele Menschen (bis zu jeder zweite!) ihre Medikamente nicht entsprechend der ärztlichen Verordnung einnehmen. Das kann unterschiedliche Gründe haben:
- Die aktuelle Anordnung ist nicht bekannt, es wird noch eingenommen wie „immer“
- Unregelmäßige Einnahme zu unterschiedlichen Zeiten
- Einnahme nach eigenem Ermessen („ich weiß, was gut für mich ist“)
- Besonderheiten zur Einnahme werden nicht beachtet
- Das Handling mit den Tabletten fällt bei Einschränkungen der Feinmotorik oder dem Sehen schwer.
- Medikamente werden gekaut statt geschluckt und somit anders verstoffwechselt
- Medikament eines anderen Herstellers (Generika) sorgt für Unklarheit
- Sinn der Medikamenteneinnahme wird nicht verstanden („nützt ja nichts“)
- Medikamente wurden vergessen oder doppelt eingenommen
Dosierung und Dosierhilfen
Aus dem Krankenhaus ist vielen Menschen ein Tagesdispenser bekannt. Diese kleine Schachtel hat meist vier Fächer für morgens, mittags, abends und zur Nacht, in die die Medikamente einsortiert werden. Wer öfter als 4 x täglich Medikamente einnehmen muss, kann auch Dispenser erhalten mit einer Unterteilung in 6 Fächer.
Der Tagesdispenser ist in einem Rahmen oder einer Halterung und wird so zum Wochendispenser. Es gibt auch spezielle Wochendispenser, da passen aber meist nicht so viele Medikamente hinein und mir persönlich ist schon mehrfach passiert, dass die Öffnungen der einzelnen Tageskammern im laufe der Zeit nicht mehr komplett zu schließen waren und somit beim Herausschütten der Medikamente auch von anderen Tagen die Medikamente herausfielen.
Alternativ zum Tagesdispenser sind häufig sehr dekorative Pillendosen erhältlich. Hier eventuell auf den Verschluss achten, dass dieser auch gut bedienbar ist, denn dieser ist meist recht klein.
Bei Wirkstoffen in flüssiger Form wie Tropfen und Säften ist in der Originalverpackung häufig eine entsprechende Dosierhilfe dabei – ein kleines Becherchen oder ein Löffel. Hier gilt: Nutzen Sie diese Dosierhilfe und vertrauen Sie eher den Angaben in Millilitern (ml) als ungenauen Angaben wie Teelöffel oder Eßlöffel. Leider ist die Einteilungsskala auf diesen Dosierhilfen häufig schwer zu lesen und somit nicht barrierefrei.
Bewährt haben sich hierfür Spritzen (gibt es in den unterschiedlichsten Einheiten von 0,5 bis 100 ml und mit farblichem Stempel; übrigens: die Spritze ist das „Gefäß“ in dem sich der Wirkstoff befindet, die „Kanüle“ ist das spitze Ding, vor dem eigentlich alle Sorge haben) oder eine Pipette.
Zum Teilen von Medikamenten gibt es spezielle Tablettenteiler. Das ist eine Vorrichtigung, in der die Tablette eingelegt wird und per Klappmechanismus ein Messer die Tablette zerteilt. Prinzipiell sollten nur Medikamente geteilt werden, bei denen es „erlaubt“ ist. Dies zeigt sich häufig durch vorhandene Rillen – sogenannte Sollbruchstellen. Das können bis zu drei Rillen hintereinander sein oder klassisch eine Rille längs und eine quer, dass letztlich eine Viertel Tablette entsteht bzw. eingenommen werden kann.
Wer Schluckbeschwerden hat und die Tabletten im ganzen nicht hinunterbekommt, kann sich in der Apotheke oder dem Sanitätshaus sogenannte Mörser kaufen. Die sind bekannt aus Kochsendungen, wenn Gewürze frisch zerstoßen werden. Komfortabler sind spezielle Medikamentenmörser, die per Drehmechanismus und im geschlossenen Gefäß die Tabletten zerreiben.
Alternativ sollte der Arzt oder Apotheker gefragt werden, ob es den gleichen Wirkstoff in flüssiger Form gibt.
Erinnerung zur Einnahme
Routinen zur Einnahme sind der beste Weg die Regelmäßigkeit zu gewährleisten. Die meisten Medikamente sollten nicht auf nüchternem Magen zu sich genommen werden (Ausnahmen bestätigen die Regel, z. B. bei Schilddrüsen-Medikamenten). Also bietet sich die Einnahme nach der jeweiligen Mahlzeit an.
Zusammen mit einem Glas Wasser werden die Medikamente sicher in den Magen gespült, wo sie entweder durch die Magensäure zersetzt und dann durch die Magenschleimhaut oder durch spezielle schützende Ummantelungen erst im Darm aufgenommen werden.
Ein Wecker für die Medikamente oder ein Erinnerungszettel an einer prägnaten Stelle (Kühlschrank, Nachttisch) sind gängige Erinnerungen. Wer etwas fortschrittlicher ist, kann sich durch das Mobil- oder Smartphone erinnern lassen oder durch Smarthome-Geräte.
Lagerung der Medikamente
Jede*r hat da so seine eigene Methodik und "logische" Orte: in der Küche, im Badezimmer oder im Schlafzimmer. Einige Medikamente da, andere dort. Es ist schwer, gegen diese eigene Ordnung zu bestimmen, dass es anders gemacht werden soll, denn eine einheitliche Regelung gibt es nicht.
Daher möchte ich einige Vorteile von der Lagerung in der Küche benennen, aber nicht sagen, dass es nur so richtig ist:
- Die Küche ist ein öffentlicher Ort im Gegensatz zum privaten Schlafzimmer. Bedarf es also einer anderen Person, ist die Lagerung aller Medikamente in der Küche ein Vorteil.
- Am besten alle Medikamente zusammen auf einem Tablett, einem Schuhkarton, einem Körbchen oder Schmink-Koffer lagern. Die Schachteln nebeneinander stehend oder liegend einsortieren sorgt für Übersicht. Es müssen nur die Schachteln angefasst werden, die auch benötigt werden. Wer die Tabletten nicht den ganzen Tag sehen möchte, kann den Karton zumachen oder das Tablett abdecken.
- Die Küche wird häufig gelüftet. Da Medikamente nicht zu feucht gelagert werden sollten, könnte das Badezimmer zu feucht sein.
- Medikamente in der Packung mit Beipackzettel aufbewahren – so kann man immer das Ablaufdatum kontrollieren und hat alle Daten zum Medikament parat.
- Bei leicht verderblichen Arzneien wie Tropfen (hier speziell Augentropfen) und Säften und Salben das Anbruchdatum am besten auf die Flasche oder auf eine selbstklebende Tiefkühl- oder Einmach-Etikette (auch Thermo-Etikette oder speziell in der Apotheke erhältlich, manchmal auch direkt in der Medikamentenverpackung enthalten! – Wäre toll, wenn das jedes Pharmaunternehmen täte. Die Etiketten sind häufig im Haushalt vorhanden.)
Das Richten der Medikamente
Wenn Sie Medikamente für einen Tag oder eine Woche (oder gar länger) in entsprechenden Medikamentendispensern richten, dann sollten Sie folgende Dinge beachten:
- Waschen Sie sich die Hände, bevor Sie die Medikamente anfassen oder tragen Sie am besten sogar (Einmal-) Handschuhe beim Anfassen der Medikamente. Dies dient dem Eigenschutz, da Wirkstoffe über die Haut aufgenommen werden könnten. Einige Tabletten sind sehr wasserempfindlich und lösen sich bei geringen Mengen mit Wasser auf und es ist einfach hygienischer, nicht bereits alle Tabletten angefasst zu haben. (Auch wenn Sie die Medikamente direkt in den Dispenser fallen lassen sollten, kann es passieren, dass einige danebenfallen und dann doch angefasst werden müssen.)
- Achten Sie darauf, dass der Dispenser sauber und trocken ist – einfach vor dem Neueinsortieren mit etwas Wasser und Spülmittel spülen, nachspülen und gut abtrocknen.
- Schaffen Sie sich eine ruhige und konzentrierte Umgebung während des Richtens der Medikamente.
- Legen Sie alle geöffneten Dispenserschachteln vor sich auf die Arbeitsfläche.
- Achten Sie auf die richtige Tagesbeschriftung, vor allem wenn einzelne Tabletten nur 1 x wöchentlich eingenommen werden müssen.
- Richten Sie die Medikamente entsprechend dem aktuellen Medikationsplan in die einzelnen Tagesdispenser. Ein Medikament nach dem anderen.
- Schreiben Sie sich gleich auf, welche Medikamente nachbestellt werden müssen bzw. nutzen Sie hierfür eine Seitenlasche der Medikamentenverpackung auf der der Name des Medikaments steht, die sie abreißen.
Beratung durch die Apotheke
Beim Einlösen eines Rezeptes eines neu verschriebenen Medikamentes sollte der aktuelle Medikationsplan vorgezeigt werden, damit ein Abgleich mit den bereits eingenommen Medikamenten (Medikation-Analyse) vorgenommen werden kann.
Blister-Service durch die Apotheke
Einige Apotheken bieten einen sogenannten Blister-Service an. Das bedeutet, dass die Medikamente entsprechend des Medikationsplans bereitgestellt werden. Dies kann in Form von Becherblistern, Schlauchbeutelblistern oder Blisterkarten erfolgen. Einige Apotheken bieten diesen Service kostenfrei an, andere lassen es sich bezahlen.
Durch das Verblistern sollen Fehleinnahmen reduziert werden, da das Richten der Medikamente streng kontrolliert wird. Spontane Änderungen sind allerdings schwer bis nicht umsetzbar, ebenso das Richten von Tropfen.
Kommentare
keine vorhandenKommentar hinzufügen