Spezielle Autismusberatung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene
Autismusberatung ist meist nach Altersgruppen unterteilt: Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Dabei geht es häufig um individuell-spezifische Aufklärung, Konfliktbewältigungen, Antragsstellungen und alltagsbezogenes Coaching. Hierzu haben Herr Kai Beier und ich uns im fachlichen Gespräch fast zwei Stunden lang ausgetauscht und hätten sicher noch weitere zwei Stunden sprechen können, so umfassend ist das Thema. Der Gesprächsinhalt reicht für mehr als einen Blogeintrag, deshalb beginne ich zunächst mit der Beratung und werde in einem separaten Artikel auf Versorgungs- und Unterstützungsmöglichkeiten sowie Barrierefreiheit im Alltag in Bezug auf Autismus eingehen.
Eine genaue wissenschaftliche bzw. statistische Zahl, wie viele Autist*innen es weltweit oder im DACH-Raum gibt, kann seit Jahren nicht genannt werden (es wird jedoch von ca. 1% aller Menschen weltweit [1] ausgegangen). Das kommt auch daher, dass die Diagnosestellung schwierig ist und nicht immer erfolgt. Manch einer stellt sich die Frage, wozu eine Diagnosestellung notwendig ist. Angehörige oder Betroffene haben meist einen Verdacht - ob dieser dann ärztlich-therapeutisch bestätigt werden muss, kann jede*r selbst entscheiden. Betrachtet man vorliegende Zahlen, so wirkt es, als ob es immer mehr Menschen mit der Neuroentwicklungsstörung Asperger-Syndrom bzw.einer Autismus-Spektrum-Störung (deutsch: ASS oder vom englischen Autisms Spectrum Disorder, dann die Abkürzung ASD) gäbe. Dies kann aber vor allem daran liegen, dass heutzutage häufiger eine Diagnosestellung erfolgt als in der Vergangenheit. Bekannt ist allerdings, dass generell Jungen und Männer bis zu 4 x häufiger betroffen sind als Mädchen und Frauen.
Der Film „Rain Man“ aus dem Jahr 1988 mit Dustin Hoffmann und Tom Cruise hat Autismus, das Asperger-Syndrom und Inselbegabungen in der Bevölkerung bekannt gemacht. Einerseits faszinierend, andererseits schwer für neurotypische Menschen nachvollziehbar, wie der neuroatypische Raymond die Nummern passend zu den Namen aus dem Telefonbuch nach einmaligem Lesen auswendig weiß und zeitgleich nicht in der Lage ist, sich ein paar Socken zu kaufen.
Hier findet sich die Schnittstelle zur Pflege und die Notwendigkeit zur Beratung, sowohl von Angehörigen, Betroffenen als auch von professionell Pflegenden und in der Versorgung Beteiligten (Pflegekräften, Sozialarbeiter*innen, Ergo- und Sprachtherapeuten, Schulhelfer*innen, Einzelfallhelfer*innen, usw.). Menschen mit ASS haben häufig studiert, sind intelligent und durchaus zu Beziehungen fähig. Autismus ist nicht sichtbar, auch wenn es manchmal bestimmte sichtbar Anzeichen gibt.
Die Merkmale beim Autismus und Asperger-Syndrom sind bei jedem Menschen unterschiedlich, deshalb spricht man von einem Spektrum. Der Umgang mit Unbekanntem führt zu Stress, der schwerlich kompensierbar ist und deshalb häufig vermieden wird. Deshalb werden bekannte Muster häufig sehr penibel eingehalten. Das geht so weit, dass nur ein spezielles Lebensmittel von einer speziellen Firma aus einem speziellen Laden zu sich genommen wird oder generell die Lebensmittelauswahl sehr begrenzt ist (bekannt ist ein Fallbeispiel, wo ausschließlich selbstgekochtes Apfelmus zu allen Mahlzeiten gegessen wird). Dann noch den persönlichen „Stresslevel“ zu erhöhen mit endlosen Diskussionen, Druck oder Zwang ist völlig falsch. Dies erklärt unter anderem auch, dass Menschen mit ASD häufig unter Ängsten leiden. Angst aufgrund von einer veränderten Wahrnehmung, vor dem Unbekannten, Angst, etwas falsch zu machen, zu scheitern oder nicht so angenommen zu werden, wie man ist. Dazu kommt meist eine Überempfindlichkeit gegenüber Einflüssen von außen. Diese Ängste erhöhen dann wieder den Stresslevel.
Während einerseits eine Reizüberflutung von zu vielen Geräuschen, Gerüchen, Farben und Mustern möglich ist, gibt es auch Wahrnehmungseinschränkungen auf die eigene Person bezogen. So wird nicht erkannt, dass es Zeit wäre etwas zu trinken oder dass das Finger- und Fußnägelschneiden zum großen Problem wird, weil sich dadurch die Haptik beim Anfassen von Gegenständen ändert. Erkannt wird manchmal auch nicht, dass die Kleidung schon so abgetragen ist, dass sie fast vom Körper fällt (das hat mit Sparsamkeit nichts zu tun; die neue Kleidung befindet sich meist im Schrank). Da immer wieder die gleichen Kleidungsstucke getragen werden, diese ggf. sogar als Uniform oder Schutzschild dienen, haben die Kleidungsstücke einen wichtigen Stellenwert im Alltag. Sie geben Struktur, Halt und Sicherheit.
Autismus wird in drei unterschiedlich starke Ausprägungen unterteilt (Level/Ebene/ Stufe 1, 2 oder 3[2]), wobei es von milden Einschränkungen in der Alltagsbewältigung bis hin zur Unfähigkeit der verbalen Kommunikation gehen kann. Menschen mit ASS können über- oder unterempfindlich gegenüber Berührungen sein und physiologische Verhaltensauffälligkeiten zeigen (z. B. Mundbewegungen, am Kopf kratzen, Oberkörperschaukeln). Häufig ist ein ausgeprägtes Interesse an einem Spezialgebiet die größte Freizeitbeschäftigung, z. B. Züge beobachten, Gegenstände sammeln, usw.
Sinnvoll für ein inklusives Leben sind neben der Beratung von Betroffenen und Angehörigen Beratungen für Menschen, die im Dienstleistungssektor und im öffentlichen Dienst arbeiten. So sind „Stille Stunden“ im Supermarkt ein autismusfreundliches Konzept, das im Sinne von Inklusion und Barrierefreiheit Standard werden sollte. Bisher sind es nur einzelne wenige Filialen einzelner Supermarkt-Ketten, die diese stillen Stunden anbieten. Nicht nur Menschen mit ASS würden von den Stillen Stunden profitieren, sondern beispielsweise auch Angstpatient*innen, hochsensible Menschen und Senioren, die sich sonst durch den Supermarkt gehetzt fühlen.
Umso mehr man sich mit dem Thema befasst, desto mehr wird klar, wie wichtig spezifisiche Beratung ist. Es sollte ganz selbstverständlich sein, dass Schulen, Diagnoseeinrichtungen und andere Beteiligte (z. B. Krankenkasse) an die entsprechenden Beratungsstellen hinweisen um möglichst frühzeitig entsprechende Unterstützungen zu erhalten.
[1] www.cdc.gov/ncbddd/autism.data.html
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