Umsatzsteigerung für Pflegeunternehmen durch Zusatzverkauf
Vor einigen Jahren, während ich bei einem ambulanten Pflegedienst beschäftigt war, ist mir in der Pause in einer Bäckerei folgendes passiert: Ich habe mir für die Pausenmahlzeit ein herzhaft belegtes Brötchen ausgesucht und die freundliche Verkäuferin fragte mich, ob ich noch ein süßes Teilchen dazu haben möchte. Nicht geschenkt - ich sollte das schon kaufen! Aber als passende Kombination "erst etwas herzhaftes, dann etwas Süßes." Als „Nachtisch“, als gutgemeinten Vorschlag, natürlich mit dem verkaufförderndem Hintergedanken, aber auch unter dem Motto: „Gönn‘ es Dir.“ Tja, wenn das so ist – hab‘ ich beides gekauft und genossen.
In der Verkaufssprache und im Marketing nennt sich das „Zusatzverkauf“ (auch Mehrverkauf, Querverkauf oder „Cross Selling“ genannt). Zu einem Produkt wird etwas Passendes dazu verkauft. Zwei ganz klassische Beispiele sind wohl ein Dessert nach dem Hauptgang oder zum Paar Schuhe das passende Pflegemittel.
In diesem Zusammenhang sei noch der Begriff des „Upselling“ oder Veredelungsverkauf genannt. Hier wird ein höherwertigeres (zum Beispiel mehr Extras oder bessere Ausstattung) und dadurch auch teureres Produkt verkauft.
Wieso in der Pflege nicht auch den Zusatzverkauf nutzen und zwar andersherum? Zur Pflege wird der passende Schuh verkauft? Im wortwörtlichen Sinne. Oder zum Beschäftigungsangebot Spiele und das passende Vorlesebuch für Senioren. Möglich wären auch Reinigungsmittel, wenn hauswirtschaftliche Leistungen erbracht werden und entsprechende Körperpflegeprodukte im Rahmen der Leistungen rund ums Duschen und Baden.
Wie häufig sind Mitarbeiter*innen schon an fehlendem Material vor Ort verzweifelt? Dies ließe sich so einfach beheben.
Notwendigkeit erkennen
Bleiben wir bei dem Beispiel Schuhe: Wir Pflegekräfte erleben häufig, dass bei ödematösen Füßen und Beinen die vorhandenen Schuhe nicht mehr passen. Nach einem Schlaganfall können Schuehe mit Klettverschluss meist einfacher, das heißt selbständiger an- und ausgezogen werden und auch bei Bettlägerigkeit ist zur Kontrakturenprophylaxe im Sprunggelenkbereich das Tragen von Schuhen vorteilhaft.
Viele Senioren leiden unter Fußfehlstellungen, zum Beispiel den Hallux valgus (Hammerzeh) oder müssen orthopädische Schuhe tragen. Feste Materialien können scheuern und beeinflussen die Gehfähigkeit. Daher werden Schuhe aus sehr weichem Leder oder spezieller Weite benötigt. Der Gang zum Spezialgeschäft fällt aber schwer oder entsprechende Angebote sind gar nicht bekannt.
Auch bei der Auswahl von bestimmten Produkten oder dem Transport gerader größerer Produkte kommen Senioren und pflegebedürftige Menschen schnell an ihre Grenzen und notwendige Anschaffungen bleiben unerledigt. Wenn in der Pflege also der Bedarf an bestimmten Produkten, die im Zusammenhang mit der Pflege und Versorgung der Kunden besteht, erkannt wird, sollte doch der nächste zielführende Schritt sein, Kontakte zu vermitteln oder bei der Beschaffung behilflich zu sein.
Gerade innerhalb der Pflegeberatung oder im Rahmen einer Pflegevisite fallen häufig Bedarfe auf – klassischer Fall das umherliegende Stromkabel, das alte noch schnurgebundene Telefon oder die komplexe Fernbedienung. Neue Selbständigkeit durch eine Mikrowelle oder Erhöhung der Sicherheit durch rutschhemmende Einlagen in der Dusche.
Verkauf als Serviceangebot
„Was sollen wir denn noch alles machen?!“ werden Pflegekräfte nun empört von sich geben. Seit vielen Jahren schulen Unternehmensberatungen bereits zum Verkauf innerhalb der Pflege. Das war und ist notwendig, um vorhandene finanzielle Möglichkeiten bezüglich der Leistungserbringung umzusetzen und auszuschöpfen. Dabei ging es immer um die personalgebundene Leistungserbringung. Den Kund*innen und den Pflegekräften musste klar gemacht werden, dass sowohl die Pflegeleistungen als auch die entstehenden Nebenkosten refinanziert werden müssen.
Aufgrund des fehlenden Personals im gesamten Pflegebereich ist es zwischenzeitlich nicht mehr im gleichen Maße notwendig oder gar möglich Pflegeleistungen „zu verkaufen“, wie noch vor einigen Jahren. Ziel ist nicht möglichst viele Kunden zu haben, sondern die vorhandenen Kunden bestmöglich mit den vorhandenen Personalressourcen zu versorgen. Der Wunsch nach mehr Zeit und mehr Unterstützung ist ungebrochen – sowohl von seiten der Kunden als auch von Seiten der Mitarbeiter.
Es geht nicht darum irgendetwas zu verkaufen, sondern den Kunden und Angehörigen die Möglichkeit zu geben, mit passenden Produkten ihren Alltag zu verbessern. Seien es Zusatzleistungen wie Spaziergänge oder den Erwerb von geeigneten Produkten. Wenn dabei Erleichterungen für pflegende Angehörige, den/ die Betroffene und den Mitarbeiter*innen zustande kommen, umso besser!
Mitarbeiter*innen der Pflegeeinrichtungen, pflegende Angehörigen und vorallem Pflegebedürftige profitieren von entsprechenden Materialien und Gegenständen, wenn diese vorhanden sind und genutzt werden. Umso häufiger bestimmte Produkte vorhanden und genutzt werden, desto selbstverständlicher wird der Umgang damit und die Scheu der Nutzung reduziert– auch bei komplexeren Gegenständen.
Gerne dürften in meinen Augen durch den allgemeinen Zusatzverkauf eingenomme Gewinne an Mitarbeiter*innen weitergegeben werden, gemeinschaftlich für Gutscheine oder Teamevents genutzt oder es werden Mitarbeiterrabatte in den entsprechenden Geschäften, mit denen zusammengearbeitet wird, ermöglicht. Sie sehen, da gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie alle Parteien davon profitieren können.
Zusatzverkauf als wirtschaftliche Nebeneinnahmequelle
Aus wirtschaftlicher und unternehmerischer Sicht ist nur ein erfolgreiches Unternehmen in der Lage, sich mit vollem Einsatz auf Kernprozesse zu konzentrieren, ohne vom ständigen finanziellen Druck beeinflusst zu sein.
Das heißt umso besser es dem Unternehmen wirtschaftlich geht, desto besser kann es sich auf die Kunden und Mitarbeiter*innen und die eigentliche Arbeit konzentrieren.
Produkte für den Zusatzverkauf
Einige Beispile waren in vorherigen Abschnitten schon ableitbar (schnurloses Telefon, Funkbedienung für Steckdosen). Für den Zusatzverkauf eignenen sich ganz alltägliche Produkte, die für die meisten Kund*innen verwendbar sind:
- Hochwertige Körperpflegeprodukte
- Funktionale Bekleidung für Menschen mit Bewegungseinschränkungen
- Produkte zur allgemeinen Sicherheit
- Seniorengeeignete Elektrogeräte
- Nesteldecken und Beschäftigungsmaterial für Demenzerkrankte
- Regionale Produkte
- Senioren-Tablet’s zur Sicherstellung der Kommunikation ggf. mit entsprechendem Online-Kurs
Wie wäre es mit einem Geschenkkorb oder gar zwei verschiedenen Varianten für Geburts- und Hochzeitstage? Angebote zur Balkonbepflanzung oder praktische Alltagshelfer. Gerade Angehörige, die weiter weg wohnen, hätten so eine gute Alternative zum Versandhandel. Pflegebedürftige, die selbst das Haus nicht mehr verlassen können, hätten die Möglichkeit an entsprechende Produkte zu kommen, jenseits vom wöchentlichen Einkauf im Supermarkt.
Gerade Produkte wie Hüftprotektorenhosen werden durch entsprechende fachliche Argumente sowohl für Betroffene als auch für Angehörige in einem anderen Licht gesehen. Der Vergleich einer Pflegefachkraft, dass ein Fahrradhelm ebenfalls selbst gekauft und nicht von der Krankenkasse finanziert wird, passt meiner Meinung nach sehr gut.
Bei solchen (Senioren-) Produkten und einigen anderen müsste über die Lagerungshaltung nicht oder wenig nachgedacht werden. In Absprache mit Herstellern und Zwischen- oder Großhändlern können einzelne Produkte sicherlich unter den gleichen Konditionen bei Bedarf bezogen werden.
Ärgerliche Fehlkäufe könnten vermieden und die Nutzung dadurch erhöht werden. Unentschlossene Kunden könnten durch den einfachen Ablauf geholfen werden. Wenn Sie als Pflegeunternehmen von den Produkten überzeugt sind und sich für Ihre Kundschaft die Nutzung von bestimmten Produkten erhoffen, wäre der Verkauf durch Sie ein guter Service. Die Kaufentscheidung bleibt letztlich beim Kunden.
Angebote vorstellen
Wie können Pflegeeinrichtungen Ihren Kund*innen im Zusatzverkauf Produkte anbieten und vorstellen? Die Kunden, bevollmächtigte Angehörige und Rechtsbetreuer bekommen regelmäßig Rechnungen zugesendet. Dort könnten jeweils entsprechende Angebote beigelegt werden. Ein dauerhaftes Sortiment kann beim Pflegebeginn genannt werden, gerne ergänzt durch saisonale Produkte. Informationen über die vorhandenen Produkte könnten ebenso über einen Newsletter erfolgen und auf der Homepage vorgestellt werden.
In eigenen Kundenzeitungen oder per Aushang kann ebenfalls informiert werden. Wie wäre es im stationären Bereich die Rückseite des Speiseplans zu nutzen? Vorstellbar wäre auch die Nutzung von Monitoren oder Aufsteller im Wartebereich oder an anderen gut sichtbaren Stellen.
Durch die Expertise von Mitarbeitern oder Heimleitung bzw. Pflegedienstleitung (gerne auch Qualitätsbeauftrage*r, Einsatzleitung, usw.) können Produkte ausführlich vorgestellt und beschrieben werden. Klären Sie dabei die Fragen: Weshalb wird es empfohlen? Für wen ist es geeignet? Gibt es schon erste Erfahrungen? Welche direkten Vorteile haben die Kunden davon?
Gemeinschaftlich Regionalität fördern
Pflegeeinrichtungen sind meist in Verbänden und kommunalen Arbeitsgruppen vernetzt. So könnten Preisnachlässe verhandelt und durch einen gemeinschaftlichen Großeinkauf mehrerer Pflegeanbieter an die Kunden weitergegeben werden, beispielsweise bei Hüftprotektorhosen, Hautpflegeprodukte oder vielleicht sogar beim örtlichen Fleischer, Bäcker und Blumenfachgeschäft.
Der lokale Einzelhandel kann unterstützt werden und die Vernetzung innerhalb der Kommune wird gestärkt. Nachhaltig im Sinne von Regionalität ist es zudem.
Eine Kooperation zwischen Pflegeeinrichtungen und dem örtlichen Buchhandel bietet sich ebenfalls wunderbar an: Kalender, Fachbücher, Notiz- und Tagebücher, Bücher in Großdruck, Ausmalbücher für Erwachsene oder Bücher für Menschen mit Demenz – da ist für fast jeden etwas Passendes dabei.
Kaufkraft nutzen
Fehlendes Geld bzw. mangelnde Kaufkraft kann beim Erwerb von geeigneten Produkten nicht immer eine Rolle spielen, bedenkt man den jährlichen Umsatz des Teleshoppings (Homeshopping). Dort ist laut statistischem Bundesamt eine kontinuierliche Steigerung des Umsatzes seit 1997 zu erkennen. Allein in Deutschland wurden im Jahr 2019 2,1 Milliarden Euro Umsatz gemacht. Die aktuellen Zahlen seit der Pandemie sind noch nicht bekannt und sicherlich weiter steigend.
Für die eigene Sicherheit, Gesundheit und Komfort sind zudem die meisten Menschen bereit Geld auszugeben - sei es für sich oder die Lieben.
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