Von der Idee des "zugehenden Autorenservices" bis zu den ersten Erfolgen
Die Idee für die Autorenbesuche entstand aufgrund meiner Pflegeberatungs- und Autorentätigkeit. Ich wollte gerne von den Senioren und ihren Angehörigen hören, welche Themen sie beschäftigen, um sie auf meinem Pflegeblog zu thematisieren. Zeitgleich wollte ich fördern, dass Pflegebedürftige und Senioren neue Kontakte (also mich und gerne weitere Netzwerkpartner) gewinnen.
Die Menschen, die ich besuchte, erzählten in den ersten Besuchen überwiegend von sich und ihrer jetzigen oder früheren Situation und weniger von den Themen, die ich ansprach. In gemeinsamen Gesprächen mit früheren Kollegen und persönlichen Bekannten kam so die Idee auf, die individuellen Erinnerungen festzuhalten und gezielter die biografischen Themen in die Gespräche einfließen zu lassen, ohne es zu einem Verhör oder einer Befragung werden zu lassen.
Konzepterstellung für den „zugehenden Autorenservice/ Autorenbesuchservice“
Daraufhin habe ich ein Konzept für den „zugehenden Autorenservice/ Autorenbesuchservice“ geschrieben. Darin stelle ich die Ideen und Ziele vor und kläre die Fragen zur Finanzierung und wem ich wie die gewonnen Informationen zur Verfügung stelle.
Dieses habe ich an einzelne Einrichtungen und gut vernetzten Einzelpersonen aus der Pflegebranche innerhalb Berlins versandt und so meine Dienste angeboten. Entsprechend dem Konzept handelt es um Besuche zur Biografie-Erstellung und zur Förderung der Sprach-, Sprech- und Lesefähigkeit.
Auf meiner Homepage und auf Socialmedia (Instagram und LinkedIn) habe ich meine Dienste vorgestellt.
Zur weiteren Kundenakquise habe ich für die ersten besuchten Einrichtungen in kurzen Infobriefen meinen Service erklärt und alltagstaugliche und vielseitig einsetzbare Visitenkarten erstellt. Zwischenzeitlich habe ich einen Dienstleistungsvertrag aufgesetzt, der möglichst immer vor Besuchsbeginn unterschrieben ist. Meine Auftraggeber und Kontaktpersonen sind häufig die Kunden selbst oder deren Angehörige, Rechtsbetreuer oder Mitarbeiter des Pflegedienstes bzw. Pflegeheimes.
Das Konzept entwickelt sich ständig weiter
Gerade mit Sprichworten und Geschichten können unterschiedliche Themen für die Biografie angesprochen werden. Spezielle Seniorenbücher oder Bücher mit (Kurz-)Geschichten für Menschen mit Demenz haben sich bewährt. Häufig gibt es in Pflegeeinrichtungen und vorallem im häuslichen Bereich diesbezüglich gar keine Literatur. Deshalb bringe ich immer verschiedene Bücher mit. Gerne würde ich diesbezüglich vermitteln und meine vorhandenen Kontakte zum Singliesel Verlag nutzen.
Ich denke dabei an die Überarbeitung bzw. Ergänzung oder gar Gründung einer hauseigenen Bücherei für stationäre Pflegeeinrichtungen – gerne auch an einen mobilen Bücherwagen, der im monatlichen oder zweiwöchentlichen Rhythmus auf die Stationen kommt.
Da ich den Autorenbesuchservice derzeit ausschließlich in Berlin anbiete, sind berlinspezifische Themen sehr beliebt. So zählen die Kunden und ich (mit Hilfe von Google) manchmal die Berliner Bürgermeister auf und ich erfahre interessante Geschichten von meinen Zeitzeugen. Es werden die Geburtstagsgrußkarten zum 80., 85. oder 90. Geburtstag gezeigt.
Da ich persönlich eine Vorliebe für Grußkarten habe, kam die Idee zur ergänzenden Leistung der „handgeschriebenen Autoren-Grußkarte“. Die Kunden haben die Möglichkeit, eine Grußkarte zu bestellen, die sie per Post zugeschickt bekommen. Dabei muss es nicht Geburtstag oder Weihnachten sein. Als pandemiebedingt die Senioren- und Pflegeheime keinerlei Besucher zuließen, wurden ehrenamtliche Brief-Patenschaften organisiert. Diese Form der schriftlichen Zuwendung hat jedoch zwischenzeitlich nachgelassen und nicht jeder, der gerne einen Brief erhalten würde, bekommt auch einen. Da ich nicht ehrenamtlich arbeite, lasse ich mir den zeitlichen Aufwand, die Kosten der (karitativen oder künstlerischen) Grußkarte und das Porto vergüten.
Dieses Angebot wird derzeit noch sehr zögerlich angenommen. Die Rückmeldungen zeigen mir aber, dass es ein wichtiges Angebot ist: Der Empfang bzw. die Übergabe der Grußkarte im Briefumschlag wurde als sehr aktivierend bzw. aufweckend beschrieben. Der Briefumschlag selbst intensiv betrachtet, die Grußkartentexte werden häufig mehrfach gelesen, die Karte wird mehrere Tage bis Wochen sichtbar aufgestellt.
Leider haben manche meiner Kunden keine Fotos von früher mehr. Daher kam die Idee während der Besuche Fotos zu machen. Nach vorhandenem Einverständnis und in passenden Situationen habe ich vereinzelte Fotos während den Besuchen gemacht, die den anschließenden Autorenbesuch-Texten beigefügt werden. Die Bilder werden beschriftet, um wertvolle Informationen auch für Außenstehende (z. B. zukünftiges Pflege- bzw. Betreuungspersonal) zur Verfügung zu stellen. Die Bilder sind in digitaler Form vorhanden und können so ggf. zukünftig in vorhandene Dokumentationssysteme oder Endgeräte eingefügt werden.
Die erstellten Autorenbesuch-Texte versende ich in digitaler Form passwortgeschützt per Email meist nach bzw. im zeitlichen Zusammenhang mit der Rechnungsstellung.
Der Alltag ist interessant genug
Gerade die Bereitstellung der Texte, die sich aus dem Autorenbesuchservice ergeben, ist ein wichtiger Teil der Leistung. Die Kunden möchten Informationen von den Senioren – das können besagte Erinnerungen sein oder aktuelle Reaktionen, wenn eine verbale Kommunikation nicht mehr möglich ist. Für meinen Pflegeblog ergeben sich zudem Themen, wie z. B. die Einrichtung eines Seniorenzimmers oder die Checkliste für Winterspaziergänge.
Innerhalb der Besuche ergibt sich Gesprächsstoff durch gemeinsame Aktivitäten wie Lesen, Spielen oder Bilder ansehen. Immer wieder bin ich erstaunt, dass bereits nach wenigen Besuchen die Erzähllaune der Kunden deutlich gestiegen ist. „Das ist mir noch eingefallen…“ oder „Wir hatten doch über … gesprochen.“ Die Kunden stellen selbst Fragen oder bei eingeschränkter Sprachfähigkeit wirkt deren Mimik und Gestik ausgeprägter und aktiver.
Zudem werden klassische Märchen zum Vorlesen oder Nacherzählen oder generell als Thema gerne angenommen. In einem mehrstündigen Online-Märchenseminar habe ich mir diesbezüglich sehr hilfreiche Tipps geben lassen.
Aufgrund der fortgeschrittenen und multiplen Einschränkungen einiger meiner Kunden hat sich die Nutzung von Düften im Rahmen der Aromapflege zur Aktivierung und zur Kontaktaufnahme als sehr hilfreich erwiesen. Gerade vor der Weihnachtszeit habe ich mit entsprechenden Duftmischungen aus Zimt, Tanne und Orange interessante Reaktionen gesehen, die ich so nicht erwartet hätte. Die Düfte wurden durchweg positiv aufgenommen, häufig mit Erstaunen, was es alles gäbe und deutlich anhaltend stimmungsaufhellend. Die Düfte wurden regelrecht genossen.
Seit der Nutzung von Düften hat sich auch die Zusammenarbeit mit dem Pflegepersonal deutlich intensiviert. Ich habe den Eindruck, dass eher wahrgenommen wird, dass mein Service anders ist, als andere Besuche oder Aktivierungen. Gerade bei Menschen, die wenig verbales Feedback geben können, werde ich bzw. mein Service skeptisch begrüßt.
Zeitliche Gestaltung der Besuche
Aus organisatorischen Gründen finden die Besuche je nach Absprache alle zwei bis drei Tage innerhalb eines Zeitraums von ca. drei Wochen statt. So bin ich während dieser Besuchsphase sehr präsent bei meinen Kunden und wir können an Themen besser anknüpfen trotz tagesformabhängiger Schwankungen des Befindens.
Die Besuche im zugehenden Autorenservice werden auf unbestimmte Zeit gebucht. Die Besuche dauern zwischen 30 und 120 Minuten – je nachdem, wie es den Kunden geht oder es sich aus dem Erzählflow ergibt. Die terminliche Gestaltung ist dabei überwiegend mir überlassen, jedoch erfrage ich selbstverständlich wichtige Termine wie Dialyse oder versuche die Mahlzeiten-Zeiten zu vermeiden.
Ich versuche, Fahrwege und notwendige Corona-Tests möglichst effektiv zu gestalten. Leider gelingt mir das nicht immer. Zeitgleich hat es sich als sehr zeitintensiv und überflüssig ergeben, meine Termine auf unterschiedlichsten Kommunikationswegen frühzeitig anzukündigen. Meine Anrufe und Emails mit Terminen sind häufig nicht weitergeleitet worden und das Personal vor Ort wusste nichts von meinen Besuchen, obwohl eine vorzeitige Ankündigung gewünscht wurde.
Direkte Ansprechpartner wie Koordinatoren in Wohngemeinschaften, Bezugsbetreuungspersonal oder Aktivitätskoordinatoren sind häufig verlässlicher, um meine Besuche anzukündigen. Mit einigen Kunden führe ich einen Kalender mit den Besuchsterminen.
Individuelle Fähigkeiten als Grundlage der Besuche
Je nach Fähigkeiten der Menschen, die ich besuche scheiden einzelne Möglichkeiten zur Informationssammlung aus. Das können entweder körperliche Einschränkungen wie eine von Geburt an bestehende Blindheit oder eine im Alter entstandene Gehbehinderung sein, aber auch geistige Einschränkungen wie eine fortgeschrittene Demenz oder ein palliatives Fatique-Syndrom. Dennoch war bisher immer eine Kontaktaufnahme und Kommunikation möglich. In manchen Fällen ist das für die Vergangenheit nicht mehr möglich, sondern nur noch für den jetzigen Zeitpunkt.
Häufig ist mir von den Menschen, die ich besuche, nur wenig bekannt. Immer wieder erlebe ich, dass einzelne Mitarbeiter*innen von den zuständigen Pflegeeinrichtungen teilweise sehr tiefgreifendes Wissen über die Lebensgeschichten meiner Kunden haben, die den Kunden selbst jedoch gar nicht mehr bewußt sind und die sonst nur sehr zeitintensiv oder gar nicht mehr rekonstruiert werden können.
Direkte Rückmeldung der Besuchskunden
Meine Besuche werden in den Tages- oder Wochenplan aufgenommen und manche Kunden bereiten sich auf die Besuche vor. Da wird „vorgeruht“, die Hörgeräte mit frischen Batterien eingesetzt oder der Besucherstuhl freigeräumt. Manchmal machen wir ein zweites Frühstück bzw. legen den „Kaffeeklatsch“ auf den vormittag. Meine Kunden entdecken teilweise ihre gastgeberischen Fähigkeiten wieder und die Athmosphäre gewinnt zunehmend an Wichtigkeit.
Die Autorenbesuche werden als besonders und intensiv wahrgenommen. Störende Geräusche wie ein im Hintergrund laufender Fernseher stelle ich ab oder ich achte auf eine entsprechende Beleuchtung gleich zum Beginn des Besuchs. Es gibt ein kleines Begrüßungsritual als Wiedererkennungszeichen.
Das Feedback kommt meist, wenn ich mein Gehen ankündige oder spätestens beim Verabschieden, wenn ich in Jacke und Mütze dastehe. „Danke für den Besuch.“, „Kannst morgen wiederkommen“, „Was, gehen Sie schon?“ oder „Wann kommen Sie wieder?“
Generell werden die Besuche erwartungsfroh angenommen. In seltenen Fällen hat es mehrere Besuche gedauert, bis die Kunden mit mir und meinem Autorenbesuchservice etwas anfangen konnten. Dafür ist die Entwicklung gerade bei einer Dame phänomenal: Der erste Besuch konnte scheinbar gar nicht früh genug vorbei sein und führte bei ihr aufgrund ihrer stark ausgeprägten Depression zu physischem Stress mit Weinen und Hyperventilation. Bereits beim dritten Besuch kam dies nicht mehr vor, Gespräche und Aktivitäten waren möglich und vor wenigen Tagen fragte sie, wann ich denn wiederkomme.
Nonverbale Reaktionen reichen von Winken, Augenzwinkern, Hände drücken, High-Five abklatschen bis hin zu direktem anlächeln und gezieltem Blickkontakt.
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