Wettbewerb für familien- und pflegefreundliche Arbeitgeber
„Gott sei dank ist mein Arbeitgeber sehr kulant“ antwortet der berufstätige Ehemann meiner onkologisch erkrankten Patientin. Neben seinem Beruf organisiert und begleitet er seine Frau zu den Therapie- und Arztbesuchen, versorgt die beiden Kinder im Kindergartenalter und pflegt die durch die Chemotherapie mittlerweile geschwächte Patientin. Seine Zeit und Energie, die er in dieser Situation für seinen Beruf aufbringen kann, ist da natürlich sehr minimiert. Zeitgleich wird das Gehalt für die Existenz der Familie benötigt!
Immer mehr Personalverantwortliche kümmern sich über das Notwendige hinaus um das Thema „Vereinbarkeit von Pflege und Beruf“. Sie haben die Wichtigkeit erkannt, dass es keine Sache der Kulanz sein darf, ob man sich um seine pflege- und hilfebedürftigen Angehörigen kümmern kann. Arbeitgeber sehen völlig zurecht die Notwendigkeit, für ihre Mitarbeiter*innen Konditionen zu schaffen, die eine spürbare Entlastung bei der pflegerischen Versorgung ihrer Angehörigen schafft. Dabei geht es nicht nur um absehbare Pflegebedarfe von Großeltern und Eltern, sondern auch um Situationen wie bei dem noch jungen Ehepaar im eingangs beschriebenen Fallbeispiel.
In einer alternden Gesellschaft werden Mitarbeiter*innen früher oder später mit der Pflege eines Angehörigen in der Familie konfrontiert werden. Pflegebedürftigkeit kann aber auch unerwartet und plötzlich in unser Leben treten! Da gilt es durch Beratung und Aufmerksamkeit bereits präventiv vorzugreifen. Vielfach fühlen sich pflegende Angehörige alleingelassen in Bezug auf Unterstützung und Information und überfordert im Bereich der Begrifflichkeiten, Anträge und Regularien.
Innovative Arbeitgeber unterstützen ihre pflegenden Mitarbeiter*innen mit verschiedenen Maßnahmen, wie Beratungsmöglichkeiten (gerne durch externe Pflegeberater*innen oder sogenannten betrieblichen Pflegelotsen), individuelle Arbeitszeitmodellen, Seelsorge und vieles mehr. Neben der Fürsorgepflicht steckt selbstverständlich auch eine eigennützige Motivation dahinter, denn die Alternative wäre im schlimmsten Fall der Verlust des Mitarbeiters. Das gilt branchenübergreifend für zahlreiche Unternehmen.
Familienfreundliche Konzepte beziehen sich heute nicht mehr nur auf Mitarbeiter*innen mit Kindern. Deshalb macht die Umbenennung zum „familien- und pflegefreundlichen“ Arbeitgeber Sinn. Firmen bzw. Personalverantwortliche, die mit neuen Ansätzen zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege herausragen, können sich mit Ihrem Konzept für den Otto-Heinemann-Preis bewerben.
Seit 2015 werden Firmen und Unternehmen ausgezeichnet, die pflegefreundliche Maßnahmen für ihre Mitarbeiter*innen schaffen. Bisherige Preisträger waren z. B. Audi oder die Berliner Stadtreinigung. Für mehr Chancengleichheit kleinerer und mittlerer Unternehmen wird in drei Preiskategorien je nach Anzahl der Mitarbeiter*innen unterteilt.
Die bisherigen Preisträger-Firmen bieten beispielsweise eine Verlängerung der gesetzlichen Pflege- oder Familienpflegezeit, Vorträge zum Thema „Pflegebedürftigkeit“, verschiedene Arbeitszeitmodelle, Hilfe bei der Vermittlung von Dienstleistern, Beratungsmöglichkeiten oder Seelsorge an.
Die Schirmherrschaft liegt beim jeweils amtierenden Bundeswirtschaftsminister. Eine Jury aus Mitgliedern von Industrie- und Wirtschaftsverbänden, Versicherungen und Arbeitgeberverbänden sowie Dienstleistern und eines Mitglieds der PflegeZukunfts-Initative e.V. entscheidet über die jährlichen Preisträger in den jeweiligen Kategorien. Die Verleihung des Otto-Heinemann-Preises findet im Rahmen der Berliner Pflegekonferenz statt. Derzeit läuft der Bewerbungsprozess für die Preisverleihung 2022!
Bereits ab ca. 10 Beschäftigten lohnt sich die Benennung und Weiterbildung zu einem betrieblichen Pflegelotsen. Er/ Sie ist ein*e erste*r Ansprechpartner für Kolleg*innen, die in eine familiäre Pflegesituation kommen und es können erste Informationen zu weiterer Unterstützung und auch ganz konkrete firmeninterne Vorgehensweisen und Angebote vermittelt werden. Eine Weiterbildung zum betrieblichen Pflegelotsen dauert ca. zwei Tage und kann als Webseminar durchgeführt werden. Wichtig ist jedoch, dass der Anbieter auch regelmäßige Fort- und Weiterbildungen anbietet, denn die Regularien innerhalb der Pflegeversicherungsgesetze ändern sich immer wieder.
Schade allerdings für alle, die nicht bei einem solchen Unternehmen beschäftigt sind. Denn leider werden weder die eingereichten noch die preisgekrönten Konzepte der Öffentlichkeit nachhaltig und barrierefrei vorgestellt. Die innovativen Lösungen bleiben somit anderen Unternehmen und betroffenen pflegenden Angehörigen vorenthalten.
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